Seit einigen Tagen weilte ich schon alleine in einer Strandvilla auf dem Moorea-Atoll, von wo ich nachmittags im Garten am weißen Sandstrand beobachten konnte, wie sieben Meter große Buckelwal-Kälber in 200 Meter Entfernung aus dem Meer springen. Weil das tatsächlich so sensationell war, wie es klingt, möchte ich diese Vorgeschichte für andere Erzählungen reservieren. Sie war aber der Auslöser dafür, dass ich meine polynesischen Freunde aus Tahiti unbedingt zu mir einladen wollte, um hier auf Moorea einen gemeinsamen Insel-Roadtrip zu machen. Eigentlich habe ich gar nichts davon gehört, aber als sie am nächsten Morgen eintrafen, nannte Parae einen Ort in der Lagune, an dem man angeblich Rochen und Haien ganz nahe kommen kann. Das wollte ich versuchen.
Tiahura
Tiahura. So hieß der Küstenabschnitt, von wo wir in die Lagune hinausfahren wollten. Auch das Intercontinental-Resort bietet dafür einen guten Ausgangspunkt. Aufs Boot mitgenommen habe ich nur Maske, GoPro und Badehose. Mit jeder Menge guter Laune. Nach etwa zehn Minuten Fahrt stoppte der Kapitän unser Boot im schönsten Türkis, das man sich vorstellen kann. Noch zwei weitere Segelboote parkten hier, wo der berüchtigte Hai-Spot sein musste. Neugierig lehne ich mich über die Reling und schaue aufs Meer. Bei dem anderen Segelboot kann ich tatsächlich zwei bis drei schwarze Schatten im Wasser erkennen. Das müssen die Haie sein. Kein Zögern. Maske auf. Sprung. Ganz aufgeregt schwimme ich hin. Und dann sehe ich sie auch schon herum kreisen. Ich reiße die Augen auf. Herzklopfen. Das passiert irgendwie immer, wenn man es mit den scheuen Räubern der Meere zu tun hat. Der Respekt ist da. Es waren Schwarzspitzen-Riffhaie. Etwa 2 Meter lang. Wenig später konnte ich auch Stachelrochen erkennen. Sanft und geschmeidig bewegten sie sich durch das leuchtende Türkis. So harmlos wie sie aussehen, so tödlich kann ihr Giftstachel sein, wenn sie sich bedroht fühlen und zufällig in den Brust- oder Bauchbereich des Menschen treffen. Beide Knorpeltiere verfügten also über tödliche Waffen. Allerdings nur in der Theorie. Schließlich war ich zum Beobachten, nicht zum Provozieren hier. Dachte ich.
Hai-Mythen
Mythen. Es gibt keine gefährliche oder aggressive Haie. Eine absurde Etikette, die man diesen Tieren anhängt. Es kann nur gefährliche Situationen für den Menschen geben, die von ihm selbst bewusst oder unbewusst provoziert worden sind. Indem sie sich in eine Situation begeben oder bereits darin aufhalten, die eine Reaktion des Hais nach sich ziehen. Haie sind sehr schlaue Tiere und haben keine Angst. Obwohl wir nie Teil ihrer Evolution waren und sie deshalb gar nicht wissen können, was ein Mensch eigentlich ist, lernen sie durch Erkundung und Beobachtung. Selbst wenn ihr Hunger noch so groß ist, würden wir niemals auf dem Speiseplan eines Haifisches landen. Schon nach dem ersten Biss würden sie entsetzt vom Menschenblut ablassen, wenn sie merken, wie ungenießbar wir sind. Opfer werden daher auch nicht aufgefressen, sondern sterben an den Folgen eines Probebisses, wenn das Objekt seiner bevorzugten Beute ähnelt oder für den Hai unbekannt ist. Ursachen für Haiattacken auf Menschen sind Neugier, Provokation oder Bedrohung sowie Verwechslungen durch unglückliche Umstände wie Lärm, Futter im Wasser oder schlechte Sicht.
Schwimmen mit Haien
Schwimmstunde. Als ich von der Neugier gepackt zu den Haien schwamm, fragte ich mich, warum sie sich ausgerechnet hier befinden. Die Erklärung war schnell gefunden. Die Männer auf dem anderen Segelboot lockten die Haie und Stachelrochen mit Futtergaben wie Thunfisch an. Leider habe ich in diesem Moment nicht weiter nachgedacht und war völlig überwältigt von ihrer harmonischen Interaktion mit den beeindruckenden Knorpelfischen. Streicheleinheiten mit Rochen. Das wollte ich erleben. Ich bat die Männer um etwas Futter und schon kam der erste Rochen zu mir geschwommen. Was für eine berauschende Freude, als er mich mit Flügelschlägen begrüßte und ich sogar sein Maul mit meinen Fingern fühlen konnte. Brust an Brust fraß er mir aus der Hand. Dann tauchte ich immer wieder ab, um noch eine Weile mit ihnen zu schwimmen. Dabei drehte ich mich immer wieder aufmerksam nach Haien um, die kreuz und quer schwammen. Großartig war das. Bald wurden es aber immer mehr Haie. Mittlerweile so viele, dass ich bestimmt von 10-15 Haien umzingelt war. Unter, hinter, vor, über und neben mir. Das wurde mir etwas zu heikel und ich tauchte auf. Mittlerweile waren zwei weitere Boote angekommen. Ein Dutzend Menschen köderte nun die Tiere von ihren Booten aus mit Krustentieren und Fischblut. Ziemlich rücksichtslos. Schließlich war ich im Wasser mittendrin, statt nur dabei.
Hai-Attacke
Manche Haie begannen jetzt plötzlich komische Achterfiguren und Spiralen zu schwimmen. Ich kannte diese Drohgebärden noch nicht, aber ihre Hektik gefiel mir gar nicht. Mit weit aufgerissenen Augen versuchte ich den Überblick zu behalten. Dann drehte ich mich nach links. Und in dem Moment passierte es. Bum, Bum! Zwei heftige Stöße gegen meine Brust. Ein Hai rammte mich mit seiner Nasenspitze. So schnell konnte ich gar nicht schauen, da setzte er schon zum dritten Stoß an. Bum! Instinktiv konnte ich ihm noch auf den Kopf schlagen. Und schon war er verschwunden, ohne zu wissen, ob das meinem Schlag geschuldet war. Das alles passierte blitzschnell innerhalb von nicht mehr als zwei Sekunden. Erkannt habe ich nur seine Zähne und die große Nasenspitze direkt vor meinem Hals. Ich schwamm so schnell ich konnte zu unserem Boot zurück. Ich stand unter Schock. Völlig paranoid musste ich währenddessen in alle möglichen Richtungen geblickt haben. Bis ich wieder sicher auf unserem Boot war. Auch meine Freunde waren schockiert. Noch einige Stunden lag ich regungslos am Strand. So starken Puls hatte ich.
Grund für Hai-Attacke
Der Haiangriff war selbst verschuldet. Ohne Zweifel. Ich wusste zwar vorher nichts von einer Hai- und Rochenfütterung. Als ich die Lockmethoden auf dem anderen Boot sah, hätte ich aber nicht mitmachen dürfen. Dass dann nach kurzer Zeit so viele Menschen mit Ködern eintrafen und dadurch immer mehr Haie angezogen wurden als ich noch im Wasser war, nennt man wohl eben jene unglücklichen Umstände, wodurch Haiattacken auf Menschen ihren Ursprung finden. Einem Hai wurde es eben zu viel und er wandte die „Hit & Run“-Methode bei mir an. Eine typische Verhaltensweise der Schwarzspitzen-Riffhaie bei Unfällen mit Menschen: treffen und flüchten. Dass er mich nicht gebissen hat und weiterhin beide Arme und Beine mit mir verbunden sind ist einfach pures Glück. Noch heute sehe ich die Szenen von der Haiattacke glasklar vor mir. Traumatisiert bin ich deshalb aber nicht. Nur zwei Wochen später tauchte ich in knapp 40m Tiefe mit mehr als 200 Haien im Fakarava Süd-Pass.
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