Singidunum bzw. Veligradon hieß die Stadt in der Antike und im frühen Mittelalter. Erst Stefan Lazarevic (1377-1427) etablierte den Namen Belgrad nachhaltig – erstmals im Jahr 878 erwähnt – und machte die „weiße Stadt“ zum politischen und orthodoxen Zentrum des während der Türkenbelagerung zerfallenden Serbischen Reichs.
Wahrzeichen der Stadt ist die Festung von Belgrad.
Auf antiken Mauerresten der Römer ordnete Stefan Lazarevic Anfang des 15. Jh. den aufwendigen Neubau des verfallenen byzantinischen Kastells an.
1456 wurde Belgrad von den Türken belagert. Die entscheidende Schlacht vollzog sich hier am Tor des Despoten, als serbisch-ungarische Streitkräfte das Vordringen der Türken zu bekämpfen versuchten.
Innerhalb der Festung soll an dieser Stelle die in der Orthodoxie heilig gesprochene Petka Paraskevi („Sveta Petka„) erschienen sein. Zu ihren Ehren ließ man 1867 diese ihr geweihte Kirche erbauen. Die Wasserquelle in der Kirche gilt orthodoxen Christen als heilig.
Exkurs: Die Geschichte von Petka Paraskevi (Sveta Petka) ist jedenfalls erstaunlich: im 10. Jh. am Marmarameer nahe Konstantinopel in Selimpasa (Türkei) geboren, begann sie mit 15 Jahren ein streng asketisches Leben (Buße, Gebete, Fasten) zu führen. Wenig später ging sie in die jordanische Wüste und kehrte mit 25 Jahren in ihre Heimatstadt zurück, wo sie im Alter von 27 einsam verstarb. Ihre eigentliche Reise begann mit ihrem Tod… Ihre sterblichen Überreste blieben 175 Jahre bis 1223 in ihrer Heimatkirche in Selimpasa (Türkei). Danach wurden sie in die Kathedrale von Tarnowo (Bulgarien) gebracht – ihr Gedenktag vom bulgarischen Patriarchen auf den 14. Oktober festgelegt. Durch den osmanischen Einmarsch 1393 wurden ihre Reliquien einem slawischen Heeresführer übergeben, bis sie 3 Jahre später 1396 via Angelina Brankovic 125 Jahre lang bis 1521 in Belgrad (Serbien) aufbewahrt blieben. Nach einer weiteren Belagerung Belgrads verkauften sie die Osmanen an den Patriarchen von Konstantinopel gegen Gold, wo sie 120 Jahre in der Kathedrale von Fener (Türkei) aufbewahrt blieben. 1641 wurden sie dem Fürsten von Moldawien geschenkt, weil er die jährl. Steuern von Konstantinopel an die Osmanen bezahlte. 241 Jahre lang weilten die Überreste in einem Kloster in Iași (Rumänien), wo sie nach einem Brand 1888 in die Kathedrale von Iasi überführt wurden und bis heute liegen. In Belgrad verblieben 2 ihrer Finger.
Besonders verehrt wird sie aufgrund ihrer heilenden Kräfte, die ihr nachgesagt werden. Auch 20km südlich von Belgrad wird die Heilige an einer Wasserquelle angebetet.
Charakteristisch für das orthodoxe Christentum ist die enge Verzahnung mit der Politik und nationalen Identität. Das offenbart auch Belgrads Stadtbild.
Das zweite Wahrzeichen der Stadt ist der Tempel des Heiligen Sava (Hram Svetog Save).
Die Entstehungsgeschichte des Sava-Tempels ist eine nationale Geduldsprobe. 1936 begannen die Bauarbeiten, die 1941 jahrzehntelang aufgrund von Kriegen und der Kommunismus-Ära unterbrochen wurden. 1989 war die Aufhebung der 4.000 Tonnen schweren Kuppel landesweit Medienereignis. 2004 begann der Innenausbau. Als ich 2012 in Belgrad war, sah das Innere noch so aus:
Ende 2019 war das 10.000 Besucher fassende Gotteshaus wegen jahrelangen Bauarbeiten für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.
Dafür war bereits die Krypta im Untergeschoss des Tempels seit 2015 fertig gestellt.
Nach einer kurzen Kaffeepause…
…sollte dies aber nicht unser letzter Blick auf das Tempelinnere gewesen sein.
Zufällig kamen wir ins Gespräch mit einem Bischofsgehilfen und der ermöglichte uns tatsächlich, einen Blick hinter die streng bewachten Kulissen zu werfen 🙂
Mittels Hebebühne kamen wir der Goldenen Kuppel näher.
4 Mio. Euro betrugen nur die Kosten für die goldene Neugestaltung der Kuppel. Finanziert durch Russlands Erdölriesen Gazprom.
Der Innendurchmesser der quadratischen Kuppel von 30,5m sollte aus Respekt nicht die Dimensionen der Hagia Sophia in Istanbul (33m) übertreffen.
Darüber hinaus müssen noch 15.000 Quadratmeter Wandfläche mit Mosaiksteinen belegt werden, die mehr als 40 Tonnen wiegen. Ebenfalls eingeführt aus Russland.
Gewaltig ist aber auch der Ausblick vom Top des Vračar-Hügels auf Belgrad.
In Belgrad begraben ist eine der bedeutsamsten polit. Figuren der Geschichte: Josip Broz Tito. Warum aber wurde Tito Tito genannt? Viele Landsleute sagen, dass seine Kommandos während dem Krieg oft aus zwei Wörtern bestanden: „Ti“ (=Du), „To“ (=Dies). Zuerst habe er auf die Person gezeigt, dann auf die Aufgabe: „Du, dies!“, „Du, das!“.
Seine Beisetzung 1980 war die bis zum damaligen Zeitpunkt größte Beerdigung der Geschichte: 4 Könige, 31 Präsidenten, 6 Prinzen, 22 Premierminister, 47 Außenminister nahmen daran teil.
Unter Tito war Jugoslawien ein sozialistisches Land, das mit den kapitalistischen Staaten des Westens verbündet war. Mit seinem Titoismus verfolgte er die Koexistenz verschiedener Gesellschaftssysteme: in der Außenpolitik die Blockfreiheit, in der Innenpolitik Brüderlichkeit und Einheit und in der Wirtschaftspolitik die Arbeiterselbstverwaltung. Auch die kontrollierte Grenzöffnung für Gastarbeiter und Touristen bot den Menschen einen Lebensstandard, der in anderen sozialistischen Balkanstaaten nie erreicht wurde.
Wer shoppen will, ist in Belgrads Altstadt richtig: Knez Mihailova ist die beliebteste Flaniermeile der Hauptstadt…
Belgrads Bauwerke mögen manchmal etwas heruntergekommen sein – als Objekte der Bewunderung ist ihre architektonische Pracht jedoch unverlierbar.
Der imposante Sitz der heutigen Belgrader Universität (Kapitän-Miša-Gebäude) wurde zwischen 1857-1863 erbaut und nach seinem Bauherrn benannt, einem Salzhändler und Schiffsbesitzer.
Morgenkaffee bei Sonnenaufgang am Platz der Republik (Trg republike) 🙂
Eins der schönsten Bauwerke ist das serbische Parlament.
Sympathisch finde ich, wenn direkt davor ein Traktor seine Arbeit verrichtet 😉
Besonders stolz ist die kleine Nation auf seine Errungenschaften. Da wären zum einen Nikola Tesla – einer der berühmtesten Erfinder, Physiker und Elektroingenieure der Weltgeschichte.
Oder Mihajlo Pupin. Als Österreicher geboren. Als US-Amerikaner gestorben. Aber immer ein Serbe gewesen. Und als Physiker, Schriftsteller und Philanthrop einflussreich.
Oder Novak Djokovic, einer der erfolgreichsten Tennisspieler der Geschichte. An der Mündung der Sava in die Donau errichtete er unterhalb der Belgrader Festung seine eigene Tennis-Akademie.
Oder der Kult-Fußballklub Roter Stern Belgrad, der 1991 den Europapokal der Landesmeister gewann.
Wer sich aber vom Nationalstolz entsagt, dem wird intrinsische Ruhe und Zufriedenheit eingeschenkt. Schön empfunden habe ich die vielen Parks und Grünflächen, die eine gute Lebensqualität bieten.
Einzigartig sind die Bar- und Restaurantschiffe entlang der Sava vor der Belgrader Silhouette: Genialer Ausblick gepaart mit hervorragendem Balkan-Essen. Wunschlos glücklich 🙂
Ich besuche Dich wieder, Belgrad!
24/10/2019
15/09/2012
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