Tag 1
Von Tahiti nach Fakarava mit dem Frachtschiff Cobia III. 3 Tage und 2 Nächte auf hoher See. In meinem Rucksack parkt der Proviant: Zelt, Schlafsack, Kamera, Fisch, Bohnen. Die Umstände auf dem Atoll kenne ich nicht. Unterkunft habe ich keine. Und ich kenne niemanden 🙂
Frachtschiff. Die Kabine habe ich mir schlimmer vorgestellt. An Bord sind Kapitän, Mechaniker, Matrosen, 6 Locals und zu meiner Überraschung ein französischer Journalist. „Warum das Frachtschiff?“, frage ich. „Weil ich noch nie auf einem Frachtschiff war.“ Da sitzen wir im selben Boot 😉
Laut grölende und singende Matrosen. Ich versuche ihnen das Lied Anker los der Zeichentrickserie Wickie und die starken Männer beizubringen. Rausgekommen ist noch lauteres Gegröle. Und noch mehr Gelächter 😀
Schiff erkunden. Ganz oben entdecke ich einen Helikopterplatz. Nichts wie rauf! Ich setze mich. Alles um mich herum ist Meer. Da. Delfine. Dort. Fliegende Fische. Da. Möwen segeln herbei. Sie tauchen ein ins schaukelnde Blau und fliegen mit Fischen im Mund wieder fort. 🙂
Sturm. Heftiger Wind. Strömender Regen. Unser kleines Frachtschiff hält dagegen. Die Wellen sind riesig. Ich rolle von einem Bettrand zum anderen. Seekrank.
Tag 2
Mir ist den ganzen Tag schlecht. Um 21.00 legen wir vor dem 300 Einwohner-Atoll Faa’ite an. Zwischenstation. Ich gehe von Bord und frage einen lächelnden Mann nach einem Restaurant. „Alles geschlossen. Aber komm zu mir“, antwortet das polynesische Pendant zu Hansi Hinterseer. 😀
„Wann hast Du zum ersten Mal einen Ausländer gesehen?“, frage ich am Esstisch die Mutter von Jean-Francois. „Im Jahr 1998. Ein Spanier. Er war damals genau so jung wie Du.“ Ich stelle viele Fragen. Außer der neuen Straße und ein paar Autos habe sich hier nichts verändert, berichtet sie. Die Bewohner hier sprechen 3 Sprachen: Französisch, Tahitianisch und Tuamotu. Fast auf jedem Atoll wird eine eigene Sprache gesprochen. Bei der austronesischen Sprache Tuamotu sind derzeit 7 Dialekte bekannt. Nebenbei fließt Kokosschnaps.
„Vor 15 Jahren haben die Franzosen den Stress nach Tahiti gebracht. 2 meiner Brüder sind unverschuldet bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen. Deshalb bin ich vor 2 Jahren wieder zu meinem Geburtsort nach Faa’ite zurück gekehrt. Hier ist es schön. Hier ist es ruhig“, sagt Jean-Francois.
Jean-Francois erzählt mir dann von seiner Sorge: Sein Bruder Hugo habe sich auf Fakarava sein Bein vor 4 Monaten gebrochen. Es gibt kein Krankenhaus auf Fakarava und er habe große Schmerzen. „Hast Du Medikamente?“, frage ich ihn. „Ja.“ – „Weißt Du was: ich erreiche morgen Mittag Fakarava. Gib mir Deine Medikamente. Ich werde sie Deinem Bruder bringen.“
Er sieht mich nicht an. Nur ein leises „ja“ ertönt. Ich bedanke mich für das Essen. Mit der Medizin für Hugo in der Hand will ich zurück auf’s Schiff. Doch das alte Mütterchen ruft mich zurück: „Warte!“ Sie hängt mir eine selbstgemachte Muschelkette um den Hals und sagt: „Viel Glück, Reisender!“ 🙂
Tag 3
Ankunft Fakarava-Atoll. Mein Weg führt mich zuerst zu Hugo.
Vor seiner Palmblätter-Hütte sitzt sein Onkel. Dann sehe ich Hugo. Sein rechter Fuß ist doppelt so dick wie sein linker. Ich gebe ihm die Medizin von Jean-Francois. Hugo und sein Onkel sprechen kaum Französisch. Wir unterhalten uns trotzdem 1 Stunde.
2 Tage plane ich im Tauchmekka Fakarava Sud ein. Den Rest meiner Zeit einsam. Aber erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt…
Die Tauchschule sagt sie fahren die nächsten Tage nicht hinaus. Zu wenig Klienten. Zurück bei Hugo. Der sagt: „Hier ist überall Privatgrund, da kannst Du nicht einfach so am Strand schlafen. Erst 50km südlich hört die Zivilisation auf. Aber dahin müsstest Du schon ein Boot mieten.“ Meine beiden Träume platzen wie Seifenblasen. Binnen Minuten.
Wenigstens darf ich am Strand von Hugo schlafen. Ich baue mein Zelt auf.
Es wird Abend. Jetzt regnet es in Strömen. Windböen peitschen mein Zelt aus. Das Innere ist längst feucht. Das Äußere hoffentlich dicht. Aufwallende Emotionen kommen hoch: Kein Tauchen. Kein Alleinesein. Furchtbares Wetter. Mein Abenteuer habe ich mir anders vorgestellt.
Tag 4
Die Morgensonne stellt Fragen. Sie geht ihren Weg. Gehe ich meinen? Gestern war ein Ziel mein Ziel. Nicht der Weg. Heute will ich es besser machen.
Ich laufe rüber zu Hugo. Sein Grinsen ist breiter als sein Schädel, als er mir zuruft: „Mein Fuß ist besser. Mein Fuß ist besser.“ Was für eine Freude! 😀 Über welch belangloses Zeug ich mich gestern Abend noch geärgert habe.
„Nimm das Rad meiner Frau und sieh Dir die Gegend an“, sagt Hugo. Herrlich! Auf Fakarava gibt es weder Bus, Autovermietung noch ein Taxiservice. Die Straße im Nordosten der Insel ist nur einige Kilometer lang.
Lagune. 50 Meter ist er tief, der ehemalige, geflutete Kratergrund.
Suchen muss man nicht. Haie sind überall.
Flughafen. Kein Mensch. „Geschlossen„. Juhu!! Ein Flughafen für mich allein 🙂
Das rechte Pedal auf meinem Fahrrad fehlt. Völlig egal! Auf der Landebahn sprinte ich mit dem knatternden Rad los. Dann hebe ich sanft ab. In Gedanken. 😀
Pause auf der Flug-Landebahn. Ich blicke nach rechts: Meer. Ich blicke nach links: Meer. Ich laufe nach rechts. Ich laufe nach links. Juuuhuuuuuuu!!! Ich bin auf einem Atoll 😀
Abends sind wir bei Hugos Nachbarn eingeladen: Mana. Er lädt mich zum Futsal ein 🙂
Danach gibt es eine Lehrstunde im Speerwerfen. Ziel ist eine Kokosnuss.
Stellenwert einer Kokospalme auf einem Atoll: Zuerst bringen die Eltern ihren Kindern bei, auf eine Kokospalme zu klettern. Mangelt es nämlich an Regenwasser oder Fisch, ist die Kokosnuss Wasser und Nahrung in einem. Der Stamm dient als Hauspfahl. Die Blätter dienen als Dach und Wände. Auch als Kleidung, Korb und Hut. Der Blattstängel dient als Speer- und Angelholz. Das Kokosöl – in Kombination mit verschiedenen Blättern – als Pflegemittel, Haarfärbungsmittel, Sonnen- und Moskitoschutz. Die Kokosschale dient als Teller und Dekoration. Und mit fermentierten Kokoswasser haben sie Alkohol. Mana sagt, die Kokospalme biete ihnen alles was man zum leben braucht.
Chemische Waffentests. Nach dem 2. Weltkrieg vor Polynesiens Atollen von Amerikanern, Japanern, Franzosen durchgeführt. Manas Großvater starb an Krebs. Jetzt weiß ich, warum ich hier so viele Menschen mit Missbildungen sehe. „Was empfindest Du, wenn Du heute einem Japaner, Amerikaner oder Franzosen begegnest?“ Mana lacht. „Das war ein Fehler der Menschen vor 50 Jahren. Mich interessiert die Herkunft der Ausländer wenig. Sie sind alle meine Freunde.“ Gänsehaut.
Plötzlich sagt Mana: „Hugo hat’s mir erzählt. Du willst irgendwo ganz alleine sein und bei Fakarava Sud tauchen. Also ich bin der Kapitän bei „Topdive“ und muss morgen dorthin. Du kannst gratis mitfahren. Mein Kollege ist Tauchlehrer. Egal wie viele Klienten wir haben, mit ihm wirst Du morgen tauchen gehen können. Wenn Du willst bringe ich Dich danach zu einer unbewohnten Insel. 5 Tage später komme ich zurück, dann kann ich Dich wieder in den Norden bringen. Wie findest Du das?“ Völlig sprachlos. Meine beiden geplatzten Träume sind gerade auferstanden 🙂 Das beste passiert meistens dann, wenn man nicht damit rechnet.
Tag 5
Morgens. Blick aus dem Zelt. Ein Hai schwimmt vor meiner Tür 🙂
Vor der Abfahrt fragt mich diese liebe Verkäuferin: „Sind Sie Arzt? Ich habe gehört, dass Sie Hugo mit Medikamenten versorgt haben.“ Auf einem Atoll kennt jeder jeden – Nachrichten verbreiten sich in Windeseile 😀
1,5h mit Boot zum Tauchmekka!
Kapitän Mana erzählt, dass zuletzt ein BBC-Filmteam eine Dokumentation über die Fortpflanzung der Soldatenfische drehte (mit einer 250.000€-Kamera). Um den Kaviarausstoß in Zeitlupe beobachten zu können.
Vor wenigen Monaten war Blanc Pain mit Startaucher Gianluca Genoni hier. Die größte Uhrengesellschaft der Welt (im Besitz der Marken: Swatch, Longines, Omega etc.) betrieb Promo und Forschung zugleich: Mit ganz speziellen Helium-Tanks harrte der Taucher 24 Stunden im Fakarava Süd-Pass aus.
Polynesier halten nichts vom technischen Tauchen. Sie schütteln den Kopf und fragen: „Warum kommt ihr ohne Fisch wieder hoch?“
Los! Drift-Dive durch den Fakarava Süd-Pass. Gleich zu Beginn sehe ich riesige Thunfische, einen kleinen Schwarm Riesen-Barracudas. Und: Fische. Fische. Fische.
Haie. Polynesier fürchten sie. Immer wieder kommt es zu tödlichen Haiattacken. Nicht weil die Haie so böse sind. „Wenn wir einen Fisch am Speer haben, müssen wir schnell sein. Die Haie kommen blitzschnell. Und sie kämpfen um ihre Beute.“
37 Meter Tiefe. Wir verstecken uns 7min hinter einem Felsen. Nicht vor den Haien, vor der Strömung. Nur ein paar Meter von uns entfernt schwimmen sie ihr entgegen. Also ob sie schweben 🙂
Schwarzspitzen-Riffhaie, Weißspitzen-Riffhaie, Grauhaie, Ammenhaie und einen Großen Schwarzspitzenhai. Tigerhai war heute nicht im Schaufenster.
Wie viele Haie haben wir heute gesehen? „Über 200„, sagt der Tauchlehrer. Insgesamt sollen sich 632 Haie in diesem engen Atoll-Pass aufhalten.
Der Korallengarten leuchtet großflächig in allen möglichen Farben. Meine GoPro-Kamera kann aber die Farben in großen Tiefen nicht wiedergeben.
Bei unserem Drift Dive treiben wir mit starker Strömung zügig über den Garten.
Napoleonfisch. Kleine Mahlzeiten braucht man ihm gar nicht erst anzubieten. Längere Feldzüge macht Napoleon nur wenn es sich lohnt 🙂
Nach dem Tauchen esse ich 2 von diesen Mahlzeiten 🙂
Fischjagd mit Harpune. Ständig achten wir auf Haie.
Aufgeschlagene Kokosnüsse werden zum Trocknen übereinander gelegt. So können Regenwasser und Krebse nicht eindringen. 3 Tage später lösen sich die weißen Kokosraspeln besser von der Schale. Damit füllen sie einen großen Sack. Für 60€ verkaufen sie ihn nach Tahiti, wo Kokosöl hergestellt wird. Ein kleines Zubrot für Mana.
Nachts zeigt mir Mana, welche Fische essbar, welche giftig sind. Mit Petroleumlampe gehen wir auf messerscharfen Rifffelsen auf Beutejagd. Es ist Ebbe. Und überraschend einfach: Die Fische schlafen unter den Korallensteinen. Man muss sie nur aufspüren und in den Kopf treffen.
Genau so ist es mit Hummern und Langusten. „Nach 1 Stunde habe ich 20 Stück“, sagt Mana. Leider ist diesmal Vollmond. Zu hell. Wir sehen nur einige Krebse.
Vorsicht vor Muränen! „Die können Dir einen Zeh abbeißen.“ Sagt Mana. Ich zeige ihm meine Zehen. „Das glaube ich nicht.“ 😀
Müll. Der Eimer ist vor 6 Monaten angespült worden. Die Griffe vor 2 Monaten. Netze und alles andere zwischendurch. Mana hat daraus einen Fischrucksack gebastelt.
Tag 6 – 11
Das große Abenteuer beginnt erst jetzt 😉 Falls es Dich interessiert, wie es mir 5 Tage lang auf einer einsamen Insel im Fakarava-Atoll ergangen ist, kannst Du dieses Erlebnis hier nachlesen 🙂
Tag 12 – 13
Stille Rückfahrt nach Tahiti.
Hier kannst Du den Artikel zu meinem Insel-Abenteuer auf Fakarava nachlesen 🙂
11/09/2014
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