Mihael Djukic im ORF-Interview (2023)
Kritische Fragen wurden dem Linzer Mihael Djukic zu seiner Rundreise durch Saudi Arabien im ORF-Interview gestellt. Es wurde am 29.12.2022 geführt und zwischen 30.12.2022 und 06.01.2023 im ORF Radio OÖ ausgestrahlt.
Mihael Djukic im Interview (2016)
Welche Länder hast Du während Deiner fast 1,5 jährigen Weltreise 2014/15 bereist?
Ich zähle besser die Erdteile auf. Das macht es einfacher: Südamerika, Ozeanien, Asien und Afrika.
Wie kam es zur Idee so lange unterwegs zu sein?
Konkret wurde diese Idee während ich meine Masterarbeit geschrieben habe. Da wurde mir klar: Eine Ära neigt sich dem Ende zu (Studentenleben) – die nächste bricht an (Berufsleben). Aber muss mein Leben wirklich gesellschaftlich vorbestimmt sein?
In unserer Leistungsgesellschaft wird unser Sein ständig an der Zukunft ausgerichtet, weil wir es später einmal besser haben wollen. Das ist eine Illusion. Wir sollten uns mehr damit beschäftigen, jetzt glücklich zu sein.
Unser Sein wird ständig an der Zukunft ausgerichtet, weil wir es später einmal besser haben wollen. Das ist eine Illusion.
Deshalb wollte ich nicht 40 Jahre auf meine Weltreise warten. Mit Mitte 20 macht es glaube ich auch viel mehr Spaß. Außerdem zehrt man länger davon. Ich habe natürlich dafür gespart, aber wie lange ich unterwegs sein würde, wusste ich davor auch nicht. Am Ende war es dann doch deutlich länger. Ein Grund dafür war, dass ich kaum etwas geplant habe.
Wann ist Deine Reiseleidenschaft zum ersten Mal entflammt?
Als ich drei Jahre alt war. Ich habe immer den großen Globus meines Bruders bestaunt und mich z.B. gefragt, ob es auch Menschen auf Bora Bora gibt und wie die wohl aussehen. Zum fünften Geburtstag wünschte ich mir einen Weltatlas.
Mit sechs konnte ich jede Hauptstadt und jede Flagge den jeweiligen Ländern zuordnen. Das vergaß ich aber schnell wieder, weil die folgenden 20 Jahre der Karrierevorbereitung dienten. Ich glaube, wir sollten alles dafür tun, dass uns dieser Schatz, diese angeborene Lust am Entdecken nicht verloren geht.
Du hast mehr als 50 Länder bereist (Stand: 2016). Wohin würdest Du gerne noch einmal zurück?
Überall. Beim zweiten Mal ist nämlich alles wieder anders. Auch vom Gefühl her. Aber um ein Beispiel zu nennen: die polynesischen Atolle. Dort existiert das Phänomen der Langeweile nicht.
Eine Armbanduhr wäre dort für einen Einheimischen wie eine tickende Zeitbombe – dort gibt es keine Uhrzeit, sondern die Lebenszeit. Sie denken in Zeitzyklen, Wetterperioden und pflegen daher einen ganz anderen Umgang mit ihrer Umgebung. Sie sind unvorstellbar offen und herzlich und besitzen immensen Zeitreichtum. Das war auch der Grund, warum ich damals statt 1 geplanten Woche, meinen Flug spontan umgebucht und letztlich 2 Monate dort verbracht habe.
Gibt es ein bestimmtes Reiseerlebnis, an das Du Dich besonders gerne erinnerst?
Naja, ich hatte schon ein paar Mal den sicheren Tod vor meinen Augen. Und dann lief es einige Monate lang wie am Schnürchen. Aber immer die perfekte Planung und Organisation zu haben, zerstört das Potential für authentische Kreativität. Die größten Erfahrungen macht man, wenn man Probleme lösen muss.
Immer die perfekte Planung und Organisation zu haben, zerstört das Potential für authentische Kreativität.
Weil ich keins hatte, schaffte ich mir einmal eins: In einer der unwirtlichsten Gegenden der Welt hielt ich irgendwo auf Feuerland spontan unseren Touristenbus mitten in der Nacht an und stieg unter verwunderten Blicken aus. Die Bedingungen waren extrem: Minus 5°C, subantarktischer Wind, mein 25kg schwerer Rucksack, der nächste Ort war 48km weit entfernt und es war stockfinster. Schlafen kam nicht in Frage. Da wäre ich bei dem starken Wind erfroren. Also marschierte ich los. Tja, schon nach 15 Minuten brauchte ich die erste Pause. Meine Schultern taten da bereits höllisch weh.
Da hat man zwei Möglichkeiten: An der Situation verzweifeln, oder sich am Sternenhimmel der südlichen Hemisphäre zu ergötzen. Mit einem Grinsen marschierte ich weiter. Meine mentale Stabilität ließ mich auch die Schulterschmerzen vergessen. Nach 1,5 Stunden kam dann die Erlösung. Hinter mir leuchteten plötzlich zwei Lichter auf! Ich stellte mich in die Straßenmitte und winkte wild mit den Armen. Der Truck hielt an. Ein Geisteskranker, dachte wohl der Lkw-Fahrer, Rodrígo nahm mich aber mit. Eines von vielen mentalen Experimenten von mir, an mir, mit mir und für mich.
Was hast Du auf Deinen bisherigen Reisen gelernt?
Dass es ein absolutes Privileg ist, in Österreich geboren worden zu sein. Dass durch Reisen das Verstehen gefördert und das Urteilen irgendwann irrelevant wird. Dass uns die sogenannte unzivilisierte Bevölkerung in vielen Dingen voraus ist. Dass die wichtigste Zeit im Leben, jetzt ist.
Reisen fördert das Verstehen und lässt das Urteilen irgendwann irrelevant erscheinen.
Dass andere glücklich zu machen, der beste Weg ist, um sich selbst glücklich zu machen. Dass man aus seinen Lebenszutaten das Beste machen soll. Und dass Zeitreichtum für mich mehr wert ist, als materieller Reichtum.
Was darf in Deinem Reisegepäck nicht fehlen?
Meine Kamera. Manchmal schränkt das sicherlich die Freiheit ein. Aber Fotografieren macht mir eben große Freude.
Worauf kommt es Dir bei der Wahl eines Reiseziels an?
Städte sind für mich auch, aber weniger interessant. Die Architektur der Natur beeindruckt mich mehr. Also abgeschiedene Gegenden, interessante Landschaften und Kulturen, über die man relativ wenig weiß.
Es ist wahnsinnig bereichernd, wenn man sieht, wie andere Menschen in anderen Ländern in anderen Situationen versuchen, das Beste aus ihrem Leben zu machen.
Was sind Deine nächsten Reiseziele?
Unsere Welt macht mich sehr neugierig. Eine Wunschliste könnte von mir aber niemals abgehakt werden. Deshalb mache ich auch keine. Im Moment habe ich den Balkan und den Nahen und Mittleren Osten auf dem Radar.
Auf Französisch-Polynesien sind die Menschen zeitreich. Dort existiert das Phänomen der Langeweile nicht.
Es braucht aber gar nicht diese Großprojekte. Tolle Reiseerlebnisse erfahre ich auch bei kurzen Ausflügen am Wochenende.
interviewt von: Werner Müller-Schell © 2016